Lichttext November 2009
Farbenpracht I
In der Hamburger S-Bahn Richtung Jungfernstieg saßen mir letztens nur dunkel vermummte Menschen gegenüber. Eine Lady mit braunem Schal und Trenchcoat, ein Schüler im dunkelblauen Parka, eine Agenturmaus mit schwarz glänzender Steppjacke. Schade, dachte ich, kaum färben sich draußen die Blätter bunt, kleiden wir Menschen uns nur noch grau in grau.

Am Jungfernstieg angekommen, wollte ich eigentlich nur kurz im Alsterhaus einen XL-Adventskalender kaufen und mit der unhandlichen Tüte so schnell wie möglich zurück ins warme Büro. Doch es kam anders. Glücklich, dass endlich einmal wieder die Herbstsonne schien, gab ich mir selber nach und erlaubte mir einen kleinen Abstecher auf den Alstersteg. Nur ein kurzer Bummel, versprach ich meinem schlechten Gewissen – und wurde glatt mit einem Regenbogen an der Alsterfontäne belohnt.

Stimmt ja, hier draußen in der Natur sind die Farben! Ich mochte nun gar nicht mehr zurück zu den dunklen Gestalten in der Bahn und spazierte lieber weiter, Richtung Außenalster. Auf der Suche nach noch mehr Farben, noch mehr Sonne, noch mehr Licht. Meine vom Herbstwind erfasste Adventskalender-Tüte zog mich gnadenlos hinter sich her, ich hatte also quasi gar keine andere Wahl, als durch das gelbe Herbstlaub am strahlend blauen Wasser entlangzumarschieren.

Aber nur bis zum Alster-Cliff, mahnte mich mein Gewissen. Na klar! So langsam wie möglich ging ich weiter. Links, auf der Landseite, tobten Hunde über eine Wiese, ihre Besitzer hielten ein Schwätzchen. Rechts, auf der Wasserseite zogen Segelboote an mir vorbei, zwei Kormorane standen ungerührt auf einem Steinwall in Ufernähe und ließen sich die sanften Wellen über die Füße plätschern. Trotz vieler Schaupausen erreichte ich das Café Cliff viel zu schnell. Und da saß sie, die erste Frau des Tages mit hellblauer Schneejacke und knallroter Mütze. Geht doch!

Kann ich offen reden? Es hat wahnsinnig Spaß gemacht, die Arbeit einfach mal zwei Stunden liegen zu lassen und mit dem Fotoapparat auf Entdeckungstour zu gehen. Damit habe ich mich selbst überrascht. Solche Geschenke sollten wir uns alle viel öfter machen, sie tun gut.
Text und Fotos: Petra Nickisch, November 2009
Farbenpracht II
Auf dem Rückweg habe ich in Pöseldorf ein neues Café entdeckt. „DasMeysel“ ist ein lila-grünes Farbenwunder und lässt die Schauspielerin Inge Meysel wieder auferstehen. Zeit für „Inges High-Tea-Gedeck“ im Salon mit samtig-violetten Sesseln vor grün-schimmernder Streifentapete blieb mir leider nicht. Damit überrasche im mich dann beim nächsten Mal.
www.dasmeysel.de