Lichttext Oktober 2016

Lichttext Oktober 2016

Cannas Geschichten

Gut, dass Canna eines Tages doch den Mund aufgemacht hat. Was wäre ihr, dem einsamen und einzigen Indischen Blumenrohr auf der ganzen Wiese, sonst alles entgangen, hätte sie dem kleinen Gänseblümchen nicht ihr Herz ausgeschüttet? Die Freundschaft mit dem Vogel Felix. Die leuchtenden Tänze der Glühwürmchen. Der hohe Besuch einer Bienenkönigin. Zusammen ist das Leben doch einfach schöner, vieles geht leichter, wird bunter und überraschender.

Das konnte auch Ulrike Kurbach feststellen, die mit ihrem ersten Kinderbuch „Cannas Geschichten vom Frühling“ ein umfassenderes Team-Projekt auslöste, als sie ursprünglich zu träumen wagte. Begonnen hat alles mit der Frage eines Bekannten, wie er einem adoptierten indischen Mädchen auch über die Entfernung von ein paar hundert Kilometern ein guter Patenonkel sein könne. Ulrike Kurbach schlug vor, Geschichten einzulesen. In ruhiger Atmosphäre könne sich das Kind so mit der neuen Sprache und der Stimme des Onkels vertraut machen. Astrid Lindgren? Michael Ende? Welcher Klassiker wäre die beste Wahl? Der Patenonkel war sich unsicher. „Keine Ahnung,“ entgegnete Kurbach, „dann schreib ich dir eben was.“

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Aus der ersten Geschichte, also dem ersten Kapitel, das sie aufschrieb, entstand bald ein Video-Hörbuch, eingesprochen von einer Freundin mit schöner Gesangstimme, bebildert von Kindern, zusammengeschnitten von einem Filmclub. Viele helfende Hände beteiligten sich. Menschen, die sich von der Idee mitreißen ließen und ihre Talente aus Freude beisteuerten. So wurden unter den Hörern und Zuschauern schnell die Fragen laut: „Wo bleibt die Fortsetzung?“ und „Können wir die Geschichten auch als Buch bekommen?“

Daran wollte die am Harzrand wohnende Erzieherin gern alles setzen. Als Kindergärtnerin ist sie jeden Tag nah dran, weiß genau, was die Kleinen bewegt und was ihnen fehlt. So entstanden weitere Kapitel, ruhig erzählte Gute-Nacht-Geschichten für Kinder ab 4 Jahren. Im vom Papierfresserchens MTM-Verlag veröffentlichten Taschenbuch sind sie mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Diana Pfister illustriert, einer Canna-begeisterten Mutter aus dem Kindergarten. „Am liebsten würde ich jedem Buch Buntstifte zum Ausmalen dazulegen“, sagt Kurbach und erinnert sich an das eigene Lese- und Malvergnügen ihrer Kindheit zurück. Keine Hanni, keine Nanni, die damals auf kritzelige blaue Röcke oder rote Wangen verzichten musste.

Heute ist Ulrike Kurbach 40. Dank Canna kann sie auf einige Lesungen, Zeitungsartikel, Mal- und Video-Projekte, einen Schreibwettbewerb und vor allem neue Bekanntschaften und gestärkte Freundschaften zurückblicken. Zum runden Geburtstag machte sie sich ein ganz besonderes Geschenk: Das mittlerweile sechste Video-Kapitel von „Cannas Geschichten“ ließ sie – gegen Honorar – von ihrem favorisierten Sprecher David Nathan vertonen, der sonst Johnny Depp und andere Schauspielpromis synchronisiert. Anfragen kann man ja mal, dachte sich Ulrike Kurbach. Und es hat geklappt! Wie gut, dass auch sie den Mund aufgemacht hat.

Wie es mit Canna weitergeht, erzählt die Autorin im folgenden Interview.

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Ulrike, warum ist deine Hauptfigur eine Blume?
Ich habe mich gefragt, wie es mir gehen würde, wenn ich plötzlich „verpflanzt“ werden würde. Ohne dass ich darauf Einfluss nehmen und mich wegbewegen könnte, weil ich auf die Menschen um mich herum angewiesen bin. Canna kann auch nicht weg von der Wiese und sie kann auch keine Entscheidung treffen, wo und wie sie gerne leben möchte. Das war der Grund, warum ich mich für Blumen, Tiere und Insekten entschieden habe. Das Kind kann sich in den Geschichten wiederfinden und gleichzeitig entdecken, dass es auch in dieser Umgebung Freunde finden und Spaß erleben kann.

Wie wichtig ist dir die Natur?
Umweltschutz ist die einzige Möglichkeit, unseren nachfolgenden Generationen ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Ich will nicht, dass mein Patenkind irgendwann nur noch mit Atemschutzmaske das Haus verlassen kann, weil unsere Generation es nicht hinbekommen hat. Wir vergiften immer noch fröhlich Gewässer und vergeuden Ressourcen für Dinge, die wir eigentlich nicht brauchen und nur haben, um anderen zu imponieren. Wenn wir es schaffen könnten, uns nicht mehr von den falschen Dingen beeindrucken zu lassen, wäre schon viel erreicht. Dann hätten wir wieder mehr Zeit für die schönen Seiten im Leben: lachen und glücklich sein.

Welche Rückmeldungen bekommst du von den Kindern?
Einmal erzählte mir eine Mutter mit strahlenden Augen, dass ihre Tochter endlich wieder in ihrem eigenen Bett schlafen würde. Erstaunt fragte ich, warum sie denn immer im Elternbett schlafen würde? – Ich bin nicht dagegen, weil Kinder oft viel zu verarbeiten haben. Und wenn es möglich ist, sollen sie sich selbstverständlich die Geborgenheit holen, die sie brauchen. Die Mutter aber strahlte so sehr, dass ich mir vorstellen konnte, dass es auch belastend ist, jede Nacht einen kleinen Gast im eigenen Bett zu haben. – Sie antwortete: Weil meine Tochter von den Geschichten so ausgeglichen einschlafen kann. Und tatsächlich bekomme ich diesen Satz recht häufig zu hören: Die Kinder schlafen ein und bleiben in ihren Betten. Die Tochter übrigens nahm mich fest in den Arm und flüsterte mir ins Ohr: Ich träume davon immer so schön!

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Wie sehr sind dir deine Figuren schon ans Herz gewachsen?
Sehr. Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen, weil sie alle ihren persönlichen Charme haben und ich immer Menschen treffe, die mich an sie erinnern. Das enthusiastische Gänseblümchen, die arbeitsame Frau Maus, Felix, der Weltenbummler, die neugierige und lebenshungrige Canna, die Wutkäfer, die sich mit den richtigen Worten schnell wieder beruhigen lassen … Alle haben ihren Platz und zusammen sind sie eine tolle Bande von Freunden.

Wie geht es weiter mit Canna?
Nach dem Frühling kommt der Sommer … Und wenn alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, wird das Sommer-Buch zu Ostern 2017 veröffentlicht. Gustav, eine kleine Ameise, dem das Leben nicht viel Gutes getan hat, wartet schon auf seinen Auftritt.
Bis dahin veröffentlichen wir weiter Hörbuchkapitel, an denen sich alle, die Spaß an einer Lesung mit uns haben, sehr gerne beteiligen dürfen. Wir brauchen gemalte Kinderbilder zu den Geschichten, damit das Hörbuch weiter so schön farbenfroh von den Herren des Videoclubs in Szene gesetzt werden kann.

Text/Interview: Petra Nickisch-Kohnke, Oktober 2016
Illustrationen: Schüler, Diana Pfister/Papierfresserchens MTM-Verlag


Cannas Produkte

Rund um die Canna-Geschichten sind schon einige Produkte entstanden. Unter dem Namen ZeilenZeichner vertreiben die Autorin und die Illustratorin in ihrem DaWanda-Shop schöne Sticker, T-Shirts, Postkarten und andere Canna-Artikel.