Lichttext Juni 2010

Lichttext Juni 2010

Märchen-Tarot

Tarot- und Orakelkarten ziehen mich magisch an. Sie sind Kunstwerke in Kleinformat, und wie andere Briefmarken, Postkarten oder Gemälde sammeln, kann ich oft nicht widerstehen, wenn ein neues, hübsches Kartendeck auf den Markt kommt. Mich reizen die stimmungsvollen Zeichnungen voller Symbole, aber auch die Weisheiten und Wegweiser, die sich mit den einzelnen Karten offenbaren.

Prinzkelche

Den tieferen Sinn der Karten muss ich dabei niemals allein entschlüsseln, dabei helfen die jeweiligen Begleitbücher. Sie geben Anregungen, wie die Karten zu legen und zu deuten sind, erklären in Stichworten wie „Freiheit“ oder „Kommunikation“ die Grundthemen der Karten und schlagen Umgangsweisen mit der jeweiligen Situation vor. Dass die „Antwort“ der Karten häufig zu meiner gestellten Frage passt oder mir zumindest einen neuen Blickwinkel eröffnet, wundert mich schon längst nicht mehr. Ich genieße einfach die Verbindung aus Spiel und Intuition und tauche ein in die Bilderwelt der Karten und in ihre Geschichten.

Beim kürzlich im Arun-Verlag erschienenen „Märchen-Tarot“ gelingt das besonders gut. Jeder der 78 klassischen Tarotkarten hat die Autorin und Künstlerin Lisa Hunt ein Märchen zugeordnet, so ist zum Beispiel „Der Froschkönig“ (Foto oben) die Hofkarte „Prinz der Kelche“ und „Dornröschen“ (Foto unten links) die Trumpfkarte „Der Mond“. Wer diese Karte zieht, für den „ist es an der Zeit, nach Innen zu blicken“. Er solle sich mit seinen Träumen beschäftigen und sich auch den Albträumen und Schatten stellen, rät die in Florida lebende Autorin, die sowohl Kunst als auch Jungianische Psychologie studiert hat.

Tarot

Doch auch ohne ihre Texte und ohne, dass man die Märchen kennt, haben allein schon Hunts Bilder eine große Aussagekraft. „Die kleine Meerjungfrau“ (Prinzessin der Kelche, Foto oben rechts) ist in einer aufwühlenden Situation. Es geht um große Gefühle, die nicht nur Freude mit sich bringen, dass sieht jeder ganz deutlich. Im Hintergrund geht die Sonne auf und bringt viele Hoffnungsschimmer mit, die sich auf den wogenden Wellen spiegeln. So kann jeder die Karten auch mit Hilfe seiner Beobachtungen und seines Einfühlungsvermögens deuten.

Wer tiefer gehen und mehr wissen möchte, der findet im Buch nicht nur die Symbole und Bedeutungen erklärt, sondern kann jedes einzelne Märchen, teilweise leicht gekürzt, aber mit Hinweisen zum Kulturkreis aus dem es stammt, nachlesen. Völlig neu für mich waren zum Beispiel das irische Märchen „Robbenhaut“ oder die afrikanische Geschichte von der „Moosgrünen Prinzessin“. Auch rumänische, chinesische oder Märchen der Inuit gibt es zu entdecken und natürlich „Aladin und die Wunderlampe“, bekannt aus tausendundeiner Nacht.

Nur einen einzigen Nachteil hat das Tarotset für mich: Sind die Karten erst einmal aus der Plastikhülle ausgepackt, flattern sie in der hübsch gestalteten Schachtel, die an die Größe des Begleitbuches angepasst ist, ziemlich umher. Kein extra Karton, der ihnen Halt in der Box gibt. Dazu passt die Märchenkarte „Die wilden Schwäne“ (Prinz der Schwerter, Foto oben Mitte) mit ihren drei Schlüsselwörtern Erfindungsreichtum, Innovation, Mögliche Probleme. Die Autorin empfiehlt hier: „So, wie die erfinderischen Schwäne ihre Schwestern tragen, mag es auch für dich notwendig sein, dein Repertoire zu erweitern“, also in diesem Fall: bei der nächsten Märchen-Tarot-Auflage bitte eine Papphalterung für die Karten einbauen.

Text: Petra Nickisch, Juni 2010
Fotos: Arun-Verlag


Druiden-Tarot

Das „DruidCraft Tarot“ erschien bereits 2004 in deutscher Sprache und ist bis heute auf Platz eins meiner liebsten Tarot-Karten. Statt Märchen beschreiben hier Wicca und Druidentum die Grundthemen der einzelnen Karten. Cernunnos, der gehörnte Gott der Fruchtbarkeit, ersetzt die traditionelle Trumpfkarte „Der Teufel“, und der „König der Kelche“ ist ein begabter Barde, der eine künstlerisch aktive Person oder ein kulturelles Projekt symbolisiert. Will Worthington, englischer Illustrator mit leidenschaftlichem Interesse für keltische und britische Geschichte, hat die wunderbaren Kartenmotive mit Eier-Tempera gemalt. www.arun-verlag.de